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Gesetzgebung zu nachhaltigen Lieferketten: Sind Sie vorbereitet?



Juli 2020 war vielleicht kein Wendepunkt in puncto nachhaltige Lieferketten, aber es gab zwei Weckrufe. Einer kam aus Brüssel, indem der EU-Justizkommissar Reynders deutlich machte, dass die Bestrebungen für eine europäische Rechtsetzung zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten vorangetrieben werden. 2021 soll bereits etwas entwickelt sein. Sicherlich schlummert schon seit einiger Zeit ein Vorschlag in einer Schublade, der nun gezückt und zwischen den europäischen Institutionen – und vor allem auch den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten verhandelt werden wird. Der andere Weckruf kam aus Berlin. Die Bundesminister Gerd Müller und Hubertus Heil erklärten – erneut -, dass Sie ein Lieferkettengesetz verabschieden möchten. Nun bekamen sie auch die Unterstützung aus dem Auswärtigen Amt und – von Kanzlerin Merkel. Bereits Anfang 2021 soll das Sorgfaltspflichtengesetz, wie das Gesetzesvorhaben in einem Entwurf heißt, in Kraft treten, aber mit einer Übergangsfrist, in der sich Unternehmen vorbereiten können.


Dass ein Gesetz kommen könnte, war ja eigentlich hinlänglich bekannt. Schon der Ende 2016 vom Kabinett verabschiedete Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte machte deutlich, dass ein Gesetz „droht“, wenn die Bemühungen der Wirtschaft nicht ambitioniert genug ausfallen sollten. Zwei Umfragen unter den „betroffenen“ Unternehmen mit über 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern fielen dann auch nicht so aus, wie die Bundesregierung sich das gewünscht hat. Ein erstes Eckpunktepapier des Gesetzes kam bereits im März 2019 in die Öffentlichkeit. Die Corona-Pandemie sorgte für einen Aufschub des Gesetzesvorhabens – welches die Minister im März 2020 lancieren wollten – und nun ist es soweit.


Andere Staaten haben bereits Gesetze in Kraft gesetzt, die jedoch in ihrem Umfang, Schwerpunkt und in der praktischen Umsetzung alle unterschiedlich ausfallen, so z.B. der Modern Slavery Act in Großbritannien, das Gesetz zur Sorgfaltspflicht in Frankreich, um nur zwei zu nennen.


Doch die zentrale Frage ist nun für Unternehmen – was kommt da auf uns zu? Sind wir vorbereitet? Tun wir bereits etwas? Tun wir vielleicht sogar schon genug? An welchen Stellen könnten wir ein Problem bekommen? Auch wenn das Gesetz auf Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern abzielt – im Endeffekt wird es, direkt oder indirekt, alle treffen. Viele Unternehmen engagieren sich bereits seit Jahren, ihre Lieferketten nachhaltiger zu gestalten. Das ist sehr viel und harte Arbeit, die nie aufhört. Wenn sich ein Unternehmen allerdings bereits aktiv um Nachhaltigkeit in der Lieferkette kümmert, einen Verhaltenskodex umsetzt, der sich an den ILO-Konventionen, OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen sowie UN-Leitsätzen für Wirtschaft und Menschenrechte orientiert, ist bereits eine Basis vorhanden. Ist das Unternehmen aktiv in der Umsetzung bestehender Systeme wie z.B. amfori BSCI / BEPI, Grüner Knopf, GOTS, SA8000, Fair Wear Foundation, um nur einige zu nennen, ist es im Prinzip gut oder bestens gerüstet. Der Kern hierbei ist, dass es nicht allein ausreicht, Mitglied in einem System zu sein, sondern es müssen neben den Basisanforderungen auch die Empfehlungen und Richtlinien praktisch gelebt werden.


Im Wesenskern werfen das Bündnis für nachhaltige Textilien und der Grüne Knopf in Deutschland die Schatten voraus – da beide Initiativen aus dem Hause Gerd Müllers stammen. Weil das Entwicklungsministerium auch bei der Entwicklung des Sorgfaltspflichtengesetzes eine gewichtige Rolle spielt, lässt sich bereits absehen, worauf Unternehmen jetzt besonders achten und worauf sie sich einstellen müssen.


Konkret muss jedes Unternehmen sich auf die folgenden Fragen einstellen:

1. Hat sich das Unternehmen öffentlich zu Nachhaltigkeit in der Lieferkette bekannt?

2. Gibt es Strukturen im Unternehmen, die dieses Bekenntnis systematisch widerspiegeln – mit entsprechenden Verantwortlichkeiten, Gremien und Richtlinien?

3. Ist das Bekenntnis zu Nachhaltigkeit intern im Unternehmen bekannt und finden dazu Schulungen statt?

4. Sind die Geschäftspartner über die Nachhaltigkeitspolitik und die entsprechenden Ziele, also die Erwartungen, informiert?

5. Werden die Unternehmensrichtlinien zur Nachhaltigkeit regelmäßig überarbeitet und neue Erkenntnisse und Entwicklungen abgebildet?

6. Wird eine Risikoanalyse durchgeführt, die mit fachspezifischen Kenntnissen begleitet, sektoren-, länder- und produktbezogene Risikofaktoren im Hinblick auf Menschenrechte angesetzt wird?

7. Ist bekannt, welche Risiken bezüglich Menschenrechte in der Lieferkette existieren und welche möglicherweise durch Tun oder Unterlassen des Unternehmens herbeigeführt oder verstärkt werden?

8. Finden regelmäßige Überprüfungen der Situation in der Lieferkette statt?

9. Passt das Unternehmen die Einkaufspraxis an die Erkenntnisse aus der Risikoanalyse an, um Verstöße gegen Menschenrechte zu vermeiden?

10. Existiert ein Beschwerdemechanismus, den Arbeiterinnen und Arbeiter in der Lieferkette nutzen können und beteiligt sich das Unternehmen am Wiedergutmachungsprozess?

11. Findet ein Dialog mit Stakeholdern statt?

12. Berichtet das Unternehmen die Öffentlichkeit über das Engagement für mehr Nachhaltigkeit in der Lieferkette und werden dabei die o.g. Aspekte beleuchtet?


Diese zwölf Fragen haben natürlich keinen abschließenden Charakter, und hinter jeder Frage stecken eine Reihe von Details, auf die an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Jedoch sind dies die Kernelemente, mit denen sich alle Unternehmen jetzt auseinandersetzen müssen.


Ganz wichtig ist auch die Botschaft der Minister – es geht nicht darum, perfekt dazustehen. Aber es geht darum zu zeigen, dass man auf dem Weg ist und ernsthafte Bemühungen unternimmt. Glaubwürdig und transparent.


Spätestens jetzt wird deutlich, dass kein Unternehmen mehr das Thema Nachhaltigkeit aussparen kann.



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Dear friends, I am working on a series blog named "Feasible Sustainability Strategy - Basis". I need some advices from you guys. Within this series, I have these few sub-topics in my mind, a. Why most

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